Linksrum geht’s nach Lissabon: Wer in diesem Schilderwald falsch abbiegt, der landet ruckzuck in Australien – oder steht vor den Klitschko-Brüdern. Willkommen im Fernweh-Park, wo sich gute Laune und Völkerverständigung die Hand geben.
Mein Hut, der hat drei Ecken …“ – na, den Kinderreim jetzt im Kopf? „Und hätt' er nicht drei Ecken, so wär' es nicht mein Hut.“ Mal abgesehen davon, dass dieser Ohrwurm nun vermutlich für ein paar Stunden hartnäckig in Ihrem Kopf herumturnt: Warum eigentlich drei Ecken? Genau diese philosophische Frage hat sich die DRIVE-Redaktion auch gestellt bei einem – scheinbar – ähnlich leichten Fall. Geraten sind wir damit aber in den sprichwörtlichen Kaninchenbau, der schon bei „Alice im Wunderland“ für jede Menge Überraschungen sorgt. Um das Rätsel zu lösen, worum es hier überhaupt geht, folgen Sie bitte der Beschilderung in die wunderbare Welt von kuriosen Zeichen, oberfränkischem Fernweh und guter Laune für mehr Völkerverständigung.
Wo sonst, würden jetzt die selbstbewussten Franken fragen – aber das nur am Rande. Jedenfalls gibt es hier einen Ort, in dem ein rühriger Ex-Banker, Weltenbummler, Filmemacher und Buchautor über 4.000 Orts- und Straßenschilder in allen denkbaren Formen sowie fast 500 Grußbotschaften von Stars zusammengetragen hat, um diese einmalige Sammlung „Fernweh-Park“ zu nennen. Wer daher den Markt Oberkotzau nahe Hof besucht, den schickt Initiator Klaus Beer auf eine unterhaltsame Gedankenreise rund um den Globus und durch die Kulturen.
„Linksrum geht’s nach Europa und geradeaus führe ich Sie über Australien und Neuseeland nach Asien. Ganz hinten kommt dann noch Afrika“, erklärt Beer sein Lebenswerk. Nach Hongkong und Las Vegas geht’s rechts, Linksabbieger folgen bitte der Route nach Abu Dhabi und Paris. Von den lustigen gelben Ortsschildern aus Deutschland hat er so viele, dass er daraus drei eigene Themenstraßen machen konnte. Und seine vielen Stars aus Musik, Film, TV und Sport kann er schon nach Kategorien sortieren.
Beer versammelt gute Laune und berühmte Namen für sein großes Ziel: „Der Park ist nicht nur buntes Blech auf Holz, sondern er lebt eine Botschaft“, erklärt er uns und führt aus: „Der Fernweh-Park steht – bewusst errichtet am 9.11.1999, zehn Jahre nach dem Fall der Mauer – als Zeichen für grenzenlose Freiheit, für Völkerverständigung und für eine friedvollere Welt: Unter den Schildern aus aller Welt sollen Menschen aus aller Welt ein Zeichen für Frieden und Zusammengehörigkeit setzen, egal welcher Hautfarbe, Religion oder politischer Weltanschauung sie sind.“
Und das geht so: Jeder ist herzlich eingeladen, aus seinem fernen Heimatland ein exotisches Straßen- oder Ortsschild in den Fernweh-Park zu bringen – als Gruß aus der Heimat und Brücke zwischen den Kulturen. Naoya Sahara, zweiter Geschäftsführer von Subaru Deutschland, hat seine Familie in Japan, arbeitet in Deutschland und schlägt dazwischen eine Brücke, Tag für Tag. Das beginnt schon, wenn er sich morgens ans Lenkrad seines Subaru Impreza setzt (links statt rechts wie zu Hause) und wenn er auf der Straße abbiegt (falschrum nämlich, in Japan herrscht Linksverkehr).
Und die Sprachbarriere haben wir noch nicht einmal erwähnt. Japan-Reisende, die sich umgekehrt in seinem Heimatland mutig in den Autoverkehr wagen, können davon ein Lied singen. Wenn man so gut wie keine Schilderbeschriftung entziffern kann, braucht man viel Glück, einen guten Schutzengel oder man nimmt lieber gleich das Taxi. Weil das so ist – und es natürlich gut zu einem Automanager passt –, hat sich Herr Sahara entschieden, ein Straßenschild aus der japanischen Heimat seiner Marke Subaru ins bayerische Hinterland zu bringen. Klaus Beer war begeistert von der Idee, denn Schilder aus Japan sind sogar für den Herrn der Schilder eine Rarität.
Naoya Sahara, zweiter Geschäftsführer von Subaru Deutschland, ist mit einem Subaru Impreza in den Fernweh-Park gereist. Er selbst lebt und arbeitet zwischen den Kulturen und merkt das auch am Lenkrad: Er lobt die gute Autobahn-Disziplin hierzulande, von der sich seine Landsleute eine Scheibe abschneiden könnten. Umgekehrt sind Japaner in Ortschaften und Innenstädten viel langsamer unterwegs. Als Nächstes steht Rom als Autoziel auf der Liste – und damit für ihn ein neues Kapitel der Verkehrskultur.
„Tomare“, ruft Naoya Sahara und lacht bei der Übersetzung: Das heißt „Stopp“. Kulturelle Unterschiede in Ehren, aber warum sollte auf einem dreieckigen Vorfahrt-achten-Schild „Stopp“ stehen? Die Antwort lautet: Kuba! Denn Japan und Kuba (sowie eine Handvoll anderer Staaten wie Bahamas und Andorra) haben nicht, was sonst so gut wie alle anderen Länder der Welt teilen: ein Stoppschild mit acht Ecken. Während in Tonga und Sambia wenigstens noch ein rundes Stoppschild warnt, würde in Japan mancher Autofahrer mit sportlichem Links-Rechts-Blick das vermeintliche Vorfahrtsschild quittieren und dann prompt überfahren. Genau diese Diskussion gab es in Japan auch, als klar wurde, dass dort sozusagen der große Bruder des Fernweh-Parks in puncto Völkerverständigung zu Gast sein würde: die Olympiade 2020/2021.
Das vertraute Stoppschild gänzlich zu ändern, ging den Hütern der Verkehrsordnung dann aber doch zu weit. Daher einigte man sich, dem Schild noch die Buchstaben „STOP“ zu gönnen. Gesagt, getan: So wurden seit 2017 alle 1,7 Millionen Stoppschilder – plus/minus ein paar Zehntausend, so genau weiß das niemand – gegen die völkerverbindende Version getauscht. Und so beginnt für das abgehängte Stoppschild aus Japan die Karriere als Kulturbotschafter in Oberfranken. Wer jetzt meint, man hätte dem japanischen Stoppschild – wie sich das gehört – bei dieser Gelegenheit ruhig noch weitere fünf Ecken spendieren können, dem sei als Pointe noch eine kleine Zeitreise empfohlen.
Schließlich kann es sein, dass man selbst am Ende auch nicht viel besser ist. Denn raten Sie mal – vielleicht wissen es manche auch noch –, wie viele Ecken unser eigenes Stoppschild bis in die 70er-Jahre hinein hatte? Man ahnt es schon: Damals waren es bei uns drei Ecken – und in Japan waren es früher mal acht.
In Deutschland hieß das Stoppschild in den 30er-Jahren noch HALT. Im „Wiener Abkommen über Straßenverkehrszeichen“ der UN einigten sich dann über 60 Länder im Jahr 1968 auf zwei Varianten. Das Achteck setzte sich als „Version B2a“ durch – inklusive der aus deutscher Sicht eigentlich „falschen“ Schreibweise. Zu lesen ist zur internationalen Vereinheitlichung nämlich das englische „Stop“ statt des deutschen „Stopp“. Dabei hätte unser Stoppschild auch aussehen können wie die „Version B2b“: als kreisrundes Zeichen, das genau so in Ostdeutschland seinen Dienst tat und etwa in Kuba bis heute zu sehen ist. Ein Machtwort im Schilderwald sprach für Deutschland die Einführung der neuen Straßenverkehrsordnung am 1. März 1971, die sich endgültig auf acht Ecken festlegte – später schloss sich auch die DDR an.
In leicht veränderten Varianten bis ca. 1970 in Westdeutschland und bis in die 50er-Jahre in Ostdeutschland
Stoppschildversion in Ostdeutschland etwa Mitte der 50er-Jahre bis Ende der 70er-Jahre
ab etwa 1970
Auch in Japan hatte der STOP mal acht Ecken. Bis in die 60er hielten Autofahrer auch dort am Achteck. Dem Abkommen der Vereinten Nationen trat Japan aber nie bei. Anlässlich der Olympiade 2020/2021 entschloss man sich zu einer Reform und ergänzte die Buchstaben STOP unter dem japanischen „Tomare“. Eine kleine Geste der Völkerverständigung für geschätzte 180 Millionen Euro.
Übrigens traten auch die USA nie der UN-Konvention bei. Weil das Stoppschild als Oktagon aber 1915 in der amerikanischen Metropole Detroit erstmals zum Einsatz kam, sind die Amerikaner sozusagen ohnehin die Erfinder des vollen Halts.
Aber warum nur wechselten die Japaner in den 60ern überhaupt von acht auf drei Ecken, man hätte doch eigentlich nur auf den Rest der Welt warten müssen? Die Antwort: Olympia war‘s, schon wieder! Zur Olympiade 1964 in Tokio wechselte man bei allen Stoppschildern auf das Dreieck: Sie sollten leichter verständlich sein.
Japan: 1950 – 1960
1960 – 1963
1963 – 2017
ab 2017 bis heute
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